Anfang dieses Monates weilte ich für ein paar Tage in Berlin und habe es mir nicht nehmen lassen, trotz sonnigem Wetter, einem Museum einen Besuch abzustatten. Üblicherweise wähle ich dafür das C/O, allerdings ist es nicht mehr dasselbe, seitdem die Fotografien nicht mehr im schönen alten Postfuhramt inszeniert werden. Zufällig entdeckte ich ein Plakat von Lee Miller, der Fotografin aus den 30er Jahren, welches mich sofort in den Bann zog und zack, so sass ich schon im nächsten Bus Richtung Martin-Gropius-Bau. Da ich so fasziniert bin von der Ausstellung und dieser, für mich bis anhin eher unbekannten Fotografin, möchte ich dir hiermit Lee Miller näher vorstellen.
The personality of the photographer, his approach, is really more important than his technical genius.
Muse
Die 1907 in Poughkeepsie, im Bundesstaat New York, geborene Lee Miller, wurde mit knapp 20 Jahren zufälligerweise vom Vogue-Verleger Condé Nast auf der Strasse entdeckt. Sie begann eine steile Karriere als Model, zierte etliche Cover und begeisterte die Fashionwelt mit ihrer «garconnehaften» Art. Doch schnell langweilte sich Miller in der Rolle vor der Kamera. Spätestens als sie 1929 den Künstler und Fotografen Man Ray kennenlernte, war ihr klar, dass sie sich hinter die Kamera bewegen wollte. Das Lehrer-Schüler-Verhältnis war allerdings nur von kurzer Dauer, die beiden wurden zu Geliebten und Fotoobjekten in einem. Beide experimentierten mit Solarisation, einer Art Überbelichtung des Bildes. Somit entstanden oftmals Fotografien, die dem Surrealismus zuzuordnen sind. Aber auch die Akt-Fotografie stand bei Ray und Miller im Zentrum – meist mit Lee Miller selbst als Objekt im Fokus.
Pionierin
Die Liebelei mit Man Ray war nicht von langer Dauer. Miller heiratete 1934 einen ägyptischen Geschäftsmann und zog nach Kairo. Entstanden sind traumhafte Landschaftsbilder, die ihr Leben und vermeintlicher Neuanfang festhalten. Doch die Fotografin, die sich selbst als «ein krankes Bündel an Unentschlossenheit» beschrieb, hielt es nie lange am selben Ort und mit demselben Menschen aus. So begann sie bereits 1937 eine Affäre mit ihrem späteren Ehemann Roland Penrose, dem sie kurze Zeit später nach London folgte. Ab 1940 begann Miller für die britische Vogue zu arbeiten. Ihre Arbeiten waren einerseits noch stets vom Surrealismus geprägt, andererseits sehr unverblümt und realitätsnah, sodass viele Bilder erst gar nie im Modeblatt erschienen.
Fast spielerisch setzte die Fotografin in ihren Bildern die Kriegsrealität in Szene: Zum Beispiel auf einer Aufnahme von zwei jungen Frauen, die ihre Gesichter mit schwarzem Augenschutz und Feuermasken verbergen. Eine hält eine Trillerpfeife zur Warnung vor Luftangriffen lässig wie ein modisches Accessoire in der Hand.
Kriegsfotografin
1942 liess sich die Amerikanerin als Kriegskorrespondentin akkreditieren und berichtete zwei Jahre später an vorderster Front für die Vogue. Gemeinsam mit ihrem Kollegen (und Life-Korrespondenten) David E. Scherman begleitete sie die amerikanischen Truppen durch Europas Kriegsgebiete. Darunter die Konzentrationslager Buchenwald und Dachau. Ohne Scheu vor verstörenden Bildern begab sich Miller ganz nahe ans Geschehen: Leichenberge, ausgemergelte Menschen und bis zur Unkenntlichkeit verprügelte Offiziere sind das Ergebnis dessen, was Miller ungeschönt festhielt. Ihr wohl berühmtestes Bild, aufgenommen durch Scherman, zeigt Miller in der Badewanne Adolf Hitlers. Die Nachkriegszeit setzte Miller ganz schön zu. Die Kriegsbilder hinterliessen unauslöschliche Spuren. Daher überrascht es nicht, dass ihre letzten Fotografien in Wien fast ausschliesslich von kriegstraumatisierten Kindern handeln – ein Spiegelbild ihrer selbst.
Lee Miller verstarb 1977 an Krebs und hinterliess ihrem Sohn Anthony über 40’000 Fotos.
Lee Miller – Fotografien
noch bis zum 12. Juni 2016 im Martin-Gropius-Bau in Berlin
Der Beitrag Lee Miller erschien zuerst auf DITO.