Kambodscha war für mich keine Liebe auf den ersten Blick. Man könnte sagen, wir hatten etwas Anlaufschwierigkeiten, unsere Beziehung wurde dafür mit der Zeit umso schöner und intensiver.
Dass ich von Kambodscha zu Beginn nicht viel hielt, hatte folgenden Grund: Ich kam sozusagen frisch getrennt von einer stürmischen Liebe zu Vietnam in die nüchterne Hauptstadt Phnom Penh des angrenzenden Nachbarlands. Mein Kopf war voller wunderbarer Eindrücke von lachenden vietnamesischen Kindern, ratternden Mopeds und wunderschönen Naturszenerien. Plötzlich fand ich mich in einem Hotelzimmer in Phnom Penh wieder, überblickte die abwechselnd tiefen und hohen Gebäude, sah plötzlich wieder viel mehr Autos und hatte Mühe mit der reservierten Art der Menschen, die mir begegneten.
Phnom Penh
Ein schwieriger Start, obwohl die siebenstündige Überfahrt in einem riesigen Transportbus (inklusive Wifi) und die Grenzkontrollen von Vietnam nach Kambodscha tadellos verliefen. Zu diesem Abschnitt hatte ich im Vorfeld nämlich einige negative Geschichten gehört. Mein anfängliches Unwohlsein lag allerdings vor allem daran, dass wir uns in Phnom Penh befanden. Ein Ort, der besonders geprägt ist von der tragischen Kriegsgeschichte Kambodschas und natürlich der aktuellen politischen Lage.
Während ich aus der Schulzeit einige Fakten über den Vietnamkrieg kannte, wusste ich viel zu wenig über die Schreckensherrschaft der Roten Khmer und den Autogenozid in Kambodscha.
Kurz gesagt: Kambodscha leidet immer noch unter den Folgen, die der zerstörerische Krieg und die Tötung von einem Grossteil der eigenen Bevölkerung hinterlassen haben. Korruption und eine politisch instabile Lage hindern das Land an der eigenen Entwicklung.
Wer sich näher dafür interessiert, dem empfehle ich sich über die politische Sachlage in Kambodscha übersichtlich hier oder aktuell hier zu informieren.
Damit wir für die Weiterreise möglichst viele Hintergrundinfos erhielten, statteten wir dem Tuol Sleng Genocide Museum und dem Choeung Ek Memorial, besser bekannt als Killing Fields, einen Besuch ab. Zwei Orte, deren Besichtigung in keiner Weise eine erfreuliche ist. Wir wollten unsere Augen jedoch nicht vor diesen Gräueltaten verschliessen und verstanden plötzlich, warum die Gegebenheiten hier in Kambodscha eben anders sind, als im Nachbarland.
Weiter begriffen wir, dass dieses Land nicht nur Entwicklungsgelder und Tourismus benötigt, sondern Botschafter wie uns, welche die Schönheit Kambodschas in die Welt hinaustragen.
Nachdem uns die geschichtlichen Verbindungen zwischen der Königsfamilie und der Roten Khmer erläutert wurden, strichen wir den Besuch im Royal Palace und der Silver Pagoda. Stattdessen stürzten wir uns ins Stadtleben: Wir handelten im grossen Stil mit verschiedenen Tuk-Tuk Fahrern über einen angemessenen Fahrtpreis und suchten Souvenirs. Das Marktpersonal in Kambodscha ist übrigens viel zurückhaltender und weniger aggressiv zu Touristen als in Vietnam. Eine Tatsache, die ich zu spät erfuhr und so verpassten wir den zentralen Markt Psar Thmei.
Siem Reap
Auf der Reise von Phnom Penh nach Siem Reap freundete ich mich mithilfe der kulinarischen Zwischenstopps stärker mit Kambodscha an. Wir hielten in «Spidertown» (Skuon), wo es Berge von frittierten Spinnen und anderen Insekten gab. Sicherlich eine kulinarische Herausforderung, die wir annehmen wollten, schliesslich wollten wir Neues entdecken.
Ich kann tatsächlich behaupten, mir schmecken frittierte Insekten besser als die bei uns beliebte Blutwurst oder Leber.
Food-Tipp: Auf den Reisestrecken zwischen den Städten gibt es immer wieder Strassenverkäufer. Halte dort und versuche die lokalen Snack-Spezialitäten. Genuss pur!
Die Stadt Siem Reap ist ein starker Gegensatz zu Phnom Penh: beschaulicher, touristischer und geprägt durch das kulturelle Erbe der vielen Tempel. Wer über Kambodscha recherchiert, der kennt Bilder der Sonnenaufgänge bei Angkor Wat oder den zweitgrössten Tempel Ta Prohm aus dem Film «Lara Croft: Tomb Raider.» Es gibt allerdings noch viel mehr Tempel oder Fragmente, die man in diesem Gebiet erkunden kann. Es lohnt sich also einen mehrtägigen Pass für das Tempelgebiet zu lösen.
Obwohl in der Regenzeit (Juni/Juli) keine spektakulären Sonnenaufgänge bei Angkor Wat zu erwarten sind, wollten wir die Energie dieser Morgenstimmung natürlich nicht verpassen. Hätten wir aber um ein Haar, denn unsere beiden Telefonwecker haben uns im Stich gelassen und so konnten wir erst am Folgetag dieses einmalige Ereignis geniessen. Dies kann ich jedem empfehlen, jedoch will ich an dieser Stelle erwähnt lassen:
Du bist nicht die einzige Person, die dieses Spektakel geniessen will. Obwohl alle Angkor Wat Bilder eine einmalige Ruhe ausstrahlen, ist die Realität eine andere. Du wartest und kämpfst mit einer Horde von Touristen um einen guten Platz für dein Foto.
Food-Tipp: Beim beliebten westlichen Eingang von Angkor Wat gibt es unzählige kleine Restaurants. Frage dort nach einem Cashew-Banana-Smoothie. Eine sensationelle Erfrischung.
Ansonsten haben wir uns in Siem Reap vor allem von den Reisestrapazen erholt. Wir haben gelesen, die Zeit mit Flanieren verbracht und uns eine einmalige Khmer-Massage gegönnt. Das Nachtleben ist in Siem Reap übrigens sehr aktiv: Von Karaoke bis zu Dachterrassen-Bars findet man hier alles. Ein besonderes Restaurant-Juwel möchte ich dir ans Herz legen: Das Haven. Das Schweizer Paar Sara und Paul Wallimann haben hier ein Ausbildungs-Restaurant für junge, benachteiligte Erwachsene gegründet. Sie bieten ihnen eine gute Berufsausbildung und wichtige Lebenskompetenzen. Wir haben hier einen tollen Abend verbracht und die leckersten Gerichte gegessen. Während ich mich für die lokalen Currys interessierte, schwärmte ein australischer Mitreisender noch tagelang von dieser einzigartigen «Rösti». Manche Tuk-Tuk Fahrer geben sich beim Nennen der Adresse teils ahnungslos. Es lohnt sich hier hartnäckig zu bleiben und nicht einfach dem alternativen Tipp des Fahrers zu folgen. Hier fliessen Gelder nur um Touristen in spezifische Restaurants zu locken.
Battambang
Obwohl Battambang die zweitgrösste Stadt des Landes ist, schien sie mir übersichtlich und ruhig. Hier sind nicht viele Touristen anzutreffen, dafür abenteuerliche Foodstände und den Bamboo Train (auch Norry genannt).
Diese rudimentäre Zugfahrt war mein Schlüsselerlebnis, welches mich dazu bewegte Kambodscha vollständig in mein Herz zu schliessen. Auf zwei Achsen und einer simplen Bambuskonstruktion braust man hier auf einer rund 15 km langen, momentan stillgelegten, Zugstrecke entlang. Die von einem Motor angetriebenen Gefährt-Konstruktionen erreichen das Tempo von rund 40 km/h. Da man sich in der hinteren Reihe nirgendwo gut festhalten kann, erhält man plötzlich ein irres Gefühl von Geschwindigkeit mitten in der grünen Natur.
Nach rund 20 Minuten drehen die Fahrzeugführer das Fahrzeug und man fährt zurück. Wer den Bamboo Train ausprobieren möchte, sollte sich einer grösseren Gruppe anschliessen. So vermeidet man, dass man beim Wendepunkt dazu gedrängt wird, Drinks oder Souvenirs zu kaufen.
Den letzten Abend verbrachten wir bei einer lokalen Familie zu Hause, welche uns ein Khmer Barbecue zubereitete. Ähnlich dem uns Schweizern bekannten Fondue Bourguignonne und doch ganz anders, dank den uns unbekannten Kräutern und dem lokalen Gemüse. Ein schöner Abschluss bevor wir weiter nach Bangkok und schlussendlich nach Hause reisten.
Die Reise durch Vietnam und Kambodscha war definitiv das grosse Highlight für mich im 2016 und hinterlässt bis heute seine Spuren.
Liebe Flo, an dieser Stelle verrate ich dein Weihnachtsgeschenk ziemlich verfrüht: In deinem Namen erhält das Restaurant Haven eine wohlverdiente Unterstützung. Allenfalls dient diese verfrühte Ankündigung auch als Inspiration für andere verzweifelte Geschenkjäger!
Der Beitrag Reisetagebuch: Kambodscha erschien zuerst auf DITO.