Seit dem 19. Februar hat Netflix die hauseigene Serie «Love» im Angebot und wirbt kräftig mit Newsletter und Anzeigen dafür. Sehenswert?
Ich beginne mit meiner Beurteilung einmal ganz am Anfang, nämlich beim Titel: Die neue Serie von Judd Apatow fällt nicht gerade mit einer kreativen Namensgebung auf: Liebe. Eine Wahl, die man allerdings auch mit der Auszeichnung «Mut zum Risiko» honorieren könnte, denn schliesslich werden bei diesem Titel bereits eine grosse Anzahl Männer gar nicht erst einschalten. Nun gut, ich gehöre nicht zu dieser Kategorie, vielmehr bin ich weiblich und Single – sprich: die wohl perfekte Zielperson dieser Serie.
Bevor ich dir weiter den Inhalt der ersten zehn Episoden erläutere, hier der Trailer zur Geschichte von Gus und Mickey.
Die Tankstelle – der neue Ort des Kennenlernens
Der Trailer fasst wunderbar die zweite Episode zusammen. Richtig gelesen, die zweite und nicht die erste. Denn in der ersten Episode erhält man als Zuschauer zuerst einen langwierigen Einblick in die beschwerlichen Lebensumstände der beiden Protagonisten: Der schrullige Nerd Gus (Paul Rust) wird von seiner hübschen aber belanglosen Freundin eiskalt über ihre Affäre in Kenntnis gesetzt. Dies entpuppt sich später zwar einerseits als Lüge, damit die Ex von Gus das katastrophale Sexleben mit ihm nicht weiter erdulden muss, andererseits hat er ihr die schwere Last des «Schluss-Machens» abgenommen, als er sie wegen der angeblichen Affäre verlässt. So macht man das heute.
Währenddessen kämpft die coole Lebefrau Mickey (Gillian Jacobs) nicht nur mit ihrer schlechten Männerwahl, sondern auch mit sich selbst: zu viele Laster haben sich angehäuft. Ihr Lebensstil könnte man als Kombination aus«Sex, Drugs and Ohmmm» betiteln. Die junge Kalifornierin rockt die Kombination aus Adiletten, Badeanzug, Holzfällerhemd und 360-Grad-Panorama-Anschiss jedenfalls gekonnt. Sie hat eine nonchalante Art, mit der sie ihren hellgoldenen Liebhaber-Wagen fährt, auf eine sexy Art und Weise Joints raucht und Burger stilvoll zu vertilgen weiss.
Genau wegen ihrer unkonventionellen Art ist mir Mickey trotz ihrer verdrehten und undurchschaubaren Charakterzüge zu Anfang sympathisch. Bezüglich Mode: Neu ist die Outfit-Kombination aus Rocker-Shirt, Latzhose und Designer-Boots sicherlich nicht, aber sie funktioniert. Habe ich mir persönlich für den Sommer gleich einmal gedanklich notiert. Die Adiletten hingegen habe ich ganz schnell wieder verdrängt.
He. She. They. What?
In der zweiten Episode angekommen, übernimmt Gus ganz ritterlich den offenen Betrag von Mickey an der Tankstelle und verbringt daraufhin einen abenteuerlichen Sonntag mit ihr. Wer nun meint, dass dies der Beginn einer einfachen Romanze ist, der irrt. Alltägliche Missverständnisse in der Kommunikation zwischen Mann und Frau werden knallhart vorgeführt und gipfeln schlussendlich, ganz ironischerweise, in einer Drama-Szene auf einem Filmset. The End?
Fazit
Ich habe sieben Folgen am Stück geschaut. Im Prinzip ein gutes Zeichen. Richtige Begeisterung brach bei mir leider nicht aus. Denn die Serie hat offensichtlich Potenzial, aber es fehlt ihr dann doch ein ganzes Stück, um mit den grossen mithalten zu können.
Wirklich gut haben mir die Nachbarschaftsszenen in und rund um Los Angeles gefallen. Die Stadt hat definitiv mehr zu bieten, als nur Glanz & Glamour! Dass Gus dann auch noch auf einem Filmset und Mickey in einer Radiostation arbeitet, finde ich eine gelungene Umsetzung, wenn auch nicht wirklich eine neue Idee.
Je mehr Episoden ich mir angesehen habe, desto weniger wurde ich mit dem Cast warm. «Love» ist sicherlich keine Serie, die man sich wegen den hübschen Schauspielern zu Gemüte führt und das finde ich gut so. Allerdings kann ich mich weder mit der abgedrehten und irgendwie hysterischen Mickey anfreunden, noch mit «Boy-Next-Door»-Gus. Trotz fehlender optischer Anziehung kriegt er jede Frau ins Bett – netter Junge mit Brille müsste man sein… Nervtötend finde ich gar die australische Mitbewohnerin von Mickey, namens Bertie (Claudia O’Doherty). Bei ihren Auftritten möchte ich mir regelmässig die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und muss mich beherrschen, nicht die Vorspultaste zu betätigen.
Ich rechne der Serie, in Zeiten von Tinder und Instagram-Selfies, hoch an, dass sie versucht ein ungeschöntes Bild des Dating-Alltags zu illustrieren: peinliche Dialoge nach uninspiriertem Sex, kreative Lösungsansätze für aufdringliche Chefs oder heilende Wirkung von Fast Food für den Kater danach. Kennen wir alle, auch wenn wir uns insgeheim die realitätsfremde Hollywood-Version von Sex, Erfolg und gesunder Ernährung erträumen. All das sucht man bei Love vergeblich, allerdings kann ich ein Stück weit entwarnen, der grüne Smoothie hat dann doch seinen Auftritt! Ohne geht es eben nicht und so lebt auch diese Serie vom «LA Lifestyle»-Filter.
Keine Begeisterung? Keine Sympathie? Warum habe ich also dennoch weitergeschaut?
Weil ich den Ausgang der Story nicht einordnen konnte: Gus & Mickey – was läuft hier und warum rennt am Schluss die coole Braut dem Nerd hinterher?
Die Kombination «Nerd liebt coole Frau» ist ja spätestens seit «The Big Bang Theory» ein sicherer Wert für eine Erfolgsserie. Love zeichnet sich jedoch insbesondere durch seine realistische und gleichzeitig verklärte Darstellungsweise und schlagfertigen Dialoge aus. So eignet sich folgendes Zitat perfekt als Ende meiner Review:
Wir sind einfach zwei nette Leute, die ihr Bestes gegeben haben und besser können wir es eben nicht.
Dito-Empfehlungsskala: ★★★☆☆
Der Beitrag Netflix-Serie: Love erschien zuerst auf DITO.